Holger Karsten Schmidt: Finsteres Herz
Gemütlich ist dieser Krimi wahrlich nicht, das sagt schon sein Titel „Finsteres Herz“. Als Verfasser von über 70 Drehbüchern ist sein Autor Holger Karsten Schmidt vertraut mit dem Bonmot, ein Film solle mit einer Explosion beginnen und sich dann langsam steigern.
Möglicherweise deshalb eröffnet er mit einer scheinbaren Idylle: Ein zwölfjähriges Mädchen betrachtet, eine Bücherwand im Rücken, versunken die Bilder von Walen. Dann klingelt es an der Tür: Zwei Polizisten wollen die kleine Sarah zur Einvernahme nach Rostock abholen. Als Sarah einen der Fahrer draußen am schwarzen Transporter wiedererkennt, nässt sie sich ein vor Schreck. Die Kommissare Lona Mendt und Frank Elling, die sie und zwei andere Zeugen beschützen, begreifen: Die Kollegen im Flur sind Fake. Eine wilde Schießerei setzt ein, Sarah kann aus der Hintertür fliehen.
Das nenne ich einen Start: Als die zweite Welle der Polizei eintrifft, liegen vor und in dem Ferienhaus neun Leichen. Elling und Mendt – Schmidts Hauptfiguren – befinden sich im Koma, und Sarah, die zwölfjährige dritte Hauptfigur, ist auf der Flucht und für niemanden greifbar.
Staatsanwalt Rost muss ein neues Ermittlerduo zusammenstellen. Noch sind die Hintergründe für den Überfall auf das Safe House fast völlig unklar. Denn aus Furcht vor Verrat haben die jetzt unerreichbar im Koma liegenden Elling und Mendt alle Ermittlungsunterlagen vernichtet, bevor sie in den Zeugenschutz gingen.
Schutz – Sicherheit für Leib und Leben – zu gewährleisten, das sind die größten Versprechen des Staates an seine Bürger. Ja, seine Existenzberchtigung. Schmidt stellt sie grundlegend und spannend in Frage: Sarah konnte von noch so guten Polizisten nicht geschützt werden. Jetzt muss das gewiefte Straßenkind vor völlig skrupellosen Menschenhändlern fliehen, denen sie schon einmal nur knapp entkommen konnte. Auch die Beschützer trauen sich gegenseitig nicht über den Weg: Jemand aus dem Polizeiapparat arbeitet mit den Gangstern zusammen.
Schmidt erzählt das parallel ineinander verflochten auf zwei Zeit- und Ermittlungebenen: Mendt und Elling recherchieren das Netz der Verbrechen vor dem Tag des Überfalls, das neue Duo übernimmt die Tage danach.
Und dazwischen brennt die Frage: Wird Sarah, so schlau sie auch ist, überleben?
Dieser Beitrag wurde am 8.November 2024 von Deutschlandfunk Kultur gesendet und ist hier nachzuhören:
Holger Karsten Schmidt: Finsteres Herz
Kiepenheuer & Witsch, 2024, 463 Seiten
stand auf der Krimibestenliste November 2024 auf Platz 6
Schreibe einen Kommentar