Danya Kukafkas verstörender Roman NOTIZEN ZU EINER HINRICHTUNG ist ein erzählerisches Plädoyer gegen Todesstrafe und patriarchale Gewalt
Zwölf Stunden hat Ansel noch zu leben. Dann wird ihm in einem amerikanischen Gefängnis so lange Gift in die Adern gespritzt werden, bis er tot ist. 1990 hat er drei junge Frauen ermordet. Zehn Jahre später blind vor Eifersucht seine Ex-Frau erstochen. Die letzten 12 Stunden des Serienmörders Ansel bilden den zeitlichen Rahmen von Danya Kukafkas Roman NOTIZEN ZU EINER HINRICHTUNG.
Wie eine Ameise in einem Trichter kreist Ansel herum, bastelt an rettenden Fluchtplänen. Er grübelt, ob andere Universen als dieses existieren können, und ob es Momente gab, in denen er sich anders hätte entscheiden können, als er es letztlich getan hat.
Mit diesem erzählerischen Rahmen ähnelt NOTIZEN ZU EINER HINRICHTUNG noch den konventionellen Serienmörderromanen, in denen der Täter und seine Tat im Mittelpunkt stehen. Aber Danya Kukafka geht weiter. Und woanders hin. Eingeschoben in den fortschreitenden Countdown erzählt sie zentral von drei Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten in Ansels Machtbereich geraten sind.
Das verstörendste Schicksal erleidet Ansels Mutter Lavender. Sie ist gefangen in einer elendigen Hinterwäldlerhölle. Ihr Psychopath von Ehemann quält sie schlimmer als jedes Tier, bis ihr nichts anderes übrigbleibt als die Flucht. Der erschütternd hohe Preis ihres Überlebens: Ihre beiden kleinen Jungs muss sie hilflos in der Gewalt des Vaters zurücklassen. Das ist der Urschrecken, aus dem alles andere hervorgehen wird.
So unterschiedlich die Schicksale der drei Frauen mit Ansels Lebensweg verknüpft sind – eins verbindet sie: die omnipräsente patriarchale Gewalt, der sie ausgesetzt sind. Kukafka erzählt das leise und einfühlsam. Aus ihrem unsentimentalen Blick für zwischenmenschliche Details wächst eine Spannung, der man sich nur schwer entziehen kann. Werden sich die drei Frauen aus der unheimlichen, zerstörerischen Anziehungskraft Ansels lösen können? Welche Wunden tragen sie davon? Jede Zeile von Danya Kukafkas NOTIZEN ZU EINER HINRICHTUNG ist durchdrungen von einer Sehnsucht nach menschlicher Würde, nach einem Leben frei von Angst.
Ansels quälende Frage nach einem möglichen anderen Universum bleibt unbeantwortet. Über seine Motive und Taten fällt Kukafka kein Urteil. Aber die einmal ausgesprochene Todesstrafe wird ohne Gnade vollzogen. Gleichgültig gegen alle Einsprüche und Notizen, mögen sie noch so kunstvoll, eindringlich und einfühlsam formuliert sein.
Dieser Beitrag wurde am 1.3.24 im Deutschlandfunk Kultur gesendet und stand erstmals auf Platz 3 der Krimibestenliste März 2024
Danya Kukafka: Notizen zu einer Hinrichtung
Aus dem Englischen von Andrea O’Brien
Blumenbar, 348 Seiten