In Donald Ray Pollocks DIE HIMMLISCHE TAFEL gibt es in der ganzen Düsternis eine Lichtfigur. Es ist ein Mann, der in der Scheiße wühlt, buchstäblich.
Mit dem, wovon die Frauen angeblich träumen, ist er reichlich ausgestattet. In den Kneipengesprächen der Männer gilt sein Penis als achtes Naturwunder. Der Arzt, den die entsetzte Mutter zu Hilfe gerufen hat, um davon „etwas abzuschneiden“, hat so einen Fleischlappen noch nie gesehen. Er rät dem Zwölfjährigen, später lieber nichts damit anzustellen. Er habe nicht genug Blut im Körper und würde ohnmächtig bei dem Versuch, die nötige Menge an Ort und Stelle zu pumpen.
Als „Missgeburt“ und Strafe Gottes hielt ihn seine ultrakatholische Mutter von der Schule fern, so dass er nicht lesen konnte, als er Gehilfe eines Müllmannes wurde, der auch die Plumpsklos des Ortes zu reinigen hatte. Als dieser starb, wurde Jasper Cone, so hieß der inzwischen Erwachsene, auch offiziell sein Nachfolger – er war der einzige, der sich auskannte und den Job machen wollte – und nannte sich seitdem „Sanitätsinspektor“. Ausgestattet mit Gummistifeln, einem Tropenhelm und einem Schlagstock für die Ratten stocherte er mit einer langen Latte in den Plumpsklos, die damals – 1917 – fast jeder Haushalt in Meade/Ohio besaß, und mahnte ihre Besitzer, wenn sie drohten überzulaufen. Jasper entwickelte mit der Zeit eine Leidenschaft für Hygiene. Bilder von Innentoiletten mit Wasserspülung – das weckte seine Leidenschaft. Als die drei Jewett-Brüder, landesweit als Massenmörder und Banditen gejagt, in Jaspers Kleinstadt kommen, ist er der einzige, der sie nicht totschlagen will, sondern sogar einem von ihnen tatkräftig hilft. Ihm war ihre Sehnsucht nach einem glücklicheren Leben nicht verdächtig.
Man könnte dieses Porträt eines aufrechten Mannes – Pollocks Roman versammelt etliche dieser biographischen Miniaturen, meist allerdings bösere – als Allegorie lesen. Dafür, welche Haltung zu Menschen und Leben vonnöten ist, damit die USA aus der Scheiße kommen.
Donald Ray Pollock: Die himmlische Tafel
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Liebeskind, 432 S., 22,00 €
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