Krimimobile aus japanischen und bundesrepublikanischen Versatzstück-Elementen
Japonismus. Faszination durch japanischen Kult und japanische Kultur.
Im anglophonen Kriminalroman häufiger verbreitet: z.b. Trevanian, Barry Eisler , von David Peace ganz zu schweigen. Im deutschsprachigen seit neuestem: Der Arm des Kraken.
Darin fliegt Christoph Peters ins Berlin von 2013 einen Yakuza-Killer ein.
Fumio Onishi operiert seit 10 Jahren international als Manager, Problemlöser und Mörder im Auftrag seiner Firma. Jetzt fürchtet er, mindestens ein Fingerglied opfern zu müssen, wenn er nach Tokio zum Oyabun Takeda zurückkehrt. Der Boss der Nekodoshi-Gumi greift schon zu drastischen Maßnahmen, verzeiht nicht einmal, wenn „die Abstände des Bechers zu Reiskuchenteller und heißem Tuch“ nicht „hundertprozentig präzise“ eingehalten werden. Dann fegt er den Becher mit einer blitzschnellen Bewegung vom Tablett, so dass der unvollkommene Diener den heißen Tee auf die Füße bekommt, ohne dass der Becher Schaden nimmt.
In Berlin ist der örtliche Repräsentant ermordet worden. Fumio muss aufräumen.
Peters stattet Fumio mit dem sattsam aus Martial-Arts und Yakuza-Filmen bekannten Habitus aus. Super trainiert, mit Tätowierungen an dern richtigen Stellen, einer Sammlung japanischer Schwerter in seiner japanisch eingerichteten Berliner Wohnung und einer von Meister Harada in harten Übungen erworbenen faschistischen Wirbelsäule: „Früher waren die Deutschen wie Japaner, hart gegen sich selbst und unbeugsam im Kampf. Aber nach dem Krieg sind sie weich geworden.“ Der Weg des Kriegers schneidet sich schnurgerade durch vietnamesiche Feinkostläden und deutsche Neubauwohnungen. Unbeirrt von anderen als taktischen Erwägungen, vom deutschen Gesetz nicht einmal tangiert, schneidet, metzelt und schießt Fumio alle nieder, die dem toten Yuki auch nur die Tür geöffnet haben. Er ist der gnadenlose Ermittler mit dem Schwert: Yuki wollte auf eigene Faust Geschäfte machen.
Die weiche Seite wird von einer ebenso deutlich, oft recht selbstironisch akzentuierten Klischeesumme repräsentiert. Hauptkommissarin Annegret Bartsch leitet das seit einem Jahrzehnt quasi untätige und nutzlose Vietnamdezernat, leidet unter Bedeutungsverlust, schwafelnden Bürokraten und Ehemann Volker, der sie und die halbwüchsige Tochter Lizzy mit Ängsten einnässt, statt ihr den schwachen Rücken zu stärken, als sie endlich beweisen kann und will, dass die Berliner Polizei aus dem gleichen Kruppstahl gefertigt ist wie der nur schemenhaft Kontur annehmende Killer.
Peters gibt dem harten Japaner eine auktoriale Stimme. Annegret Bartsch hingegen brabbelt sich in einer Art von innerem Monolog durch ihre Selbstbefindlichkeiten. Zwei Parallelen, die sich sich im Unendlichen schneiden.
Nicht ganz: Zwischen deutscher Staatsgewalt und japanischem Killer kommt es zum Showodown, und dessen Ausgang
– Spoiler! –
steht fest wie die ganze Versuchsanordnung: Frau Bartsch schwirrt brabbelnd in den Himmel, ihr letzter abgebrochener Satz gilt Lizzy. Der Tag endet mit einer Schusswunde.
– Ab hier können die Augen wieder geöffnet werden –
Peters geht es im Kern nicht um die Verbrechen, von denen er – so scheint es – kenntnisreich erzählt: die Internationale der Geldwäsche, die keinen Unterschie zwischen Japanern und Marokkanern macht, die Revierkrige vietnamesischer Händler, Morde und Mordmotive. All dieses Kriminelle sind Elemente eines rituellen Theaters, das wie im Kabuki einmal im harten und einmal im weichen Stil vorgeführt wird. Worauf diese parallelen Vorführungen zielen, ist kaum erkennbar. Es sind rituelle Abläufe, die ihren Sinn bzw. Nicht-Sinn in sich selbst haben. Peters Kunstfertigkeit besteht darin, sie quasi ohne Berührung parallel ablaufen zu lassen und dabei trotzdem noch den Anschein einer Thrillerhandlung zu erwecken.
Der vorgeführte clash of civilisations ist keiner: aufgrund der unterschiedlichen Ausgangsgeschwindigkeiten, Energien und Massen haben die weiche, weibliche, westliche und die japanische harte Zivilisation – oder genauer: die von Peters vorgeführten stereotypen Versionen davon keine Berührung miteinander. Außer einer kurzen zum Schluss.
Was ist das, was Christoph Peters gemacht hat?
Diese Teeschale von Roman kann von allen Seiten angefasst werden, ohne etwas anderes zu sein als eine Teeschale von Roman. Oder ein Anti-Krimi unter geschickter Ausnutzung und Verkehrung von Krimiklischees. Ein starres Mobile aus Krimiversatzstücken. Kein Rätsel, l’art pour l’art.
Oder: die Geschichte von zwei Kriegern mit ungleichen Voraussetzungen. Die Kriegerin schwächlich-demokratisch, der Krieger rücksichtslos, austrainiert, monoman, überlegen durch Zielbewußtsein (das nur Gehorsam ist). So existieren sie eine Zeitlang nebeneinander vor sich hin, bis einer den Bach runtergeht. Wo der Tote vom Anfang schon lag.
Christoph Peters: Der Arm des Kraken
Luchterhand, 352 Seiten
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