Blasse Feinde – die Ashley-Gang und die Anfänge Floridas im 20. Jahrhundert
James Carlos Blake, in Mexiko aufgewachsen, als US-Bürger naturalisiert, könnte, wäre das nötig, mit seinen Büchern als Kronzeuge gegen den Aberwitz auftreten, der hinter Donald Trumps Idee einer Mauer zwischen den USA und Mexiko auftreten.
James Carlos Blakes Thema ist die Gewalt. Auch in Red Grass River. Darin erzählt Blake die Geschichte der Ashleys, einer Familie, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Bankräuber, Fischer, Alkoholschmuggler den Süden Floridas kontrollierten, und ihres Widersachers Sheriff Bob Baker.
James Carlos Blakes Thema ist die Gewalt. Auch in Red Grass River. Darin erzählt Blake die Geschichte der Ashleys, einer Familie, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Bankräuber, Fischer, Alkoholschmuggler den Süden Floridas kontrollierten, und ihres Widersachers Sheriff Bob Baker.
Die Geschichte Mexikos und der USA und der Menschen an der Grenze ist so sehr von Gewalt geprägt, dass sie beinahe schon in den Genpool eingedrungen scheint. Blake hat das in dem wunderbaren und erschreckenden Roman Das Böse im Blut von 1997 (deutsch 2013) mit der Geschichte der Brüder Little erzählt. Ihr Weg führte sie weg aus der väterlichen Gewalt und aus Florida in die Gewaltexplosion des amerikanisch-mexikanischen Krieges.
Ein Jahr nach diesem umstürzenden Meisterwerk, dem beispielsweise Donald Ray Pollock den fulminanten Beginn des Romans Die himmlische Tafel verdankt, hat Blake sich einer realen Gesichte angenommen.
Es ist die der Ashley-Gang. Sie gehört zum Mythenschatz Floridas. Sie enthält alles an Drama, was das Herz begehrt.
Blake erzählt sie auf zwei Ebenen: Zum einen gibt der Liars Club den griechischen Chor, der die Gerüchte und Vermutungen über die Verbrechen der Ashleys und ihre unentdeckten Hintergründe sammelt. Zum anderen berichtet der allwissende Erzähler, was tatsächlich geschah. Das erlaubt Blake, der deprimierenden und ekelhaften Story ein paar romantische Akzente zu verpassen, ohne die Ashley-Bande völlig zu heroisieren. Wer will, kann die Verschiebungen von Realität zu Roman anhand der historischen Dokumente rekonstruieren.
Der historischen Fehde zwischen den Bakers – Gesetzeshütern – und den Ashleys – Fallensteller, Fischer, Schmuggler, Bankräuber – addiert Blake als zusätzliches Motiv eine persönliche Kränkung. Der junge John Ashley hat dem späteren Sheriff Bob Baker ein Mädchen ausgespannt. Diese Demütigung hat der Krüppel, der in einer Schießerei ein Bein verloren hat, nie verkraftet. Daher verfolgt er den attraktiven, auftrumpfenden, fruchtlosen Briganten John mit selbstzerstörerischem Hass.
Untermalt wird der anderthalb Jahrzehnte währende Zweikampf mit streckenweise eindringlichen Schilderungen des Boomzeit Südfloridas. Wie sich Palm Beach und Miami in zwanzig Jahren aus den Sümpfen der Everglades erheben, wie der Beton die Wasserflächen verdrängt. Es ist die Geschichte einer rasanten Modernisierung, der die Ashleys nur die rohe Ritterlichkeit der Trapperfiguren eines James Fenimore Cooper entgegenzustellen vermögen. (Die Indianer sind rachsüchtig, versoffen oder Halbblut, die Neger treu und anhänglich.)
Dass Red Grass River 2013 mit dem Grand Prix du Roman Noir Étranger ausgezeichnet wurde, hat wohl eher mit der Sehnsucht der französischen Literaturgemeinde nach dem großen amerikanischen Roman zu tun. Red Grass River ist ein breit ausgewalzter, streckenweise einfach nur erbaulicher Geschichtsroman, in dem die pittoresken Züge der Figuren den eklatanten Mangel an literarischer Persönlichkeit kaschieren.
Lesenswert ist Alf Mayers Essay über James Carlos Blake im crimemag September u. Oktober 2013.
James Carlos Blake: Red Grass River
Aus dem Englischen von Stefan Lux
Liebeskind, 528 S., 24 €
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