Großartiger Sommerschmöker

Vielleicht gibt es in jeder Dekade den einen Abenteuerroman. Mitte der Siebziger Jahre war es für mich Shogun von James Clavell. Über andere müsste man weiter nachdenken.
Aktuell ein herrliches Exemplar: Die sieben Leben des Arthur Bowman von Antonin Varenne
Varenne geht von der einfachen Tatsache aus, dass Mitte des 19. Jahrhunderts die Globalisierung so weit fortgeschritten war, dass ein einfacher Mann in der Spanne seines Lebens auf (fast) allen Kontinenten leben und arbeiten konnte – als Soldat.
Nach ersten Aufenthalten in Afrika, noch als Schiffsjunge, wird Arthur Bowman in Diensten der britischen Ostindischen Kompanie als „härtester Sergeant Indiens“ in den frischen Kolonialkrieg gegen Burma geschickt. Für eine geheime Mission soll er zehn Männer auswählen. Kurz nach einem Massaker am Ufer des Irrawaddy scheitert das Unternehmen, die Zehn werden von Einheimischen gefangen genommen. Sieben Jahre später tut ein traumatisierter, seine Albträume mit Opium und Schnaps dämpfender Bowman in London Polizeidienst. Während einer Hitzeperiode, in der die Stadt sich in eine Kloake verwandelt, entdeckt Bowman eine Leiche. Sie ist verstümmelt mit dem gleichen Narbenmuster, das er und seine zehn Soldaten auf dem Körper tragen – Folgen der Foltern in Burma.
Bowman kann seine Albträume nur loswerden, wenn er den Mörder findet. Denkt er. Seine Suche führt ihn durch England, dann in die sich nach Westen ausbreitenden USA, wo weitere Morde dieser Art begangen werden.
Varennes Lebensdarstellung eines Mannes, der an seiner Stärke zu zerbrechen droht, ist fantastisch recherchiert und in einer großartigen nüchternen Sprache geschrieben. Die Lebensumstände in Burma, London und in den USA, die Bowman von New York bis San Francisco durchquert, werden plastisch.
Das Ende ist überraschend – gerade für Leser, die vom Cover auf die Fährte eines Western-Noir geleitet werden.
Mein Tipp für den Sommer: Varenne.
Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman
Aus dem Französischen von Anne Spielmann
C. Bertelsmann, 560 Seiten
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