Trekkersburg und Jacob Zumas Abgang
In seinem Thriller Korrupt nimmt Mike Nicol das Ende des korrupten ANC-Chefs und südafrikanischen Präsidenten vorweg
Am 15. Februar war es so weit: Jacob Zuma, einer der korruptesten Politiker Afrikas, musste seinen Abschied nehmen. 13 Stunden soll der letzte Überredungsmarathon gedauert haben, bei dem die ANC-Führung den Kleptokraten vom Thron des Staatspräsidenten stieß.
Der südafrikanische Autor Mike Nicol, Gegner der Apartheid und publizistischer Begleiter der Demokratisierung Südafrikas von Beginn an, hat ihm in Korrupt, dem zweiten Band seiner Serie um Vicki Kahn und Fish Pescado ein Schandmal gesetzt. Als Nicol 2012/13 daran schrieb, tobte gerade in der südafrikanischen Presse und Politik die Erregung über den Millionenbetrag, mit dem Zuma seinen Landsitz Nkandla in KwaZulu-Nathal angeblich aus Sicherheitsgründen in ein Luxusresort ausgebaut hatte. Die Verluste, die dem Staat und damit der öffentlichen Wohlfahrt allein aus dieser privaten Bereicherung entstanden, bezifferte eine unabhängige Untersuchungskommission auf 155 Mio. Rand (ca. 10 Mio. €).
Im finalen Showdown des Romans gibt Nicol einen satirisch zugespitzten Einblick in die Welt aus Speichelleckerei, sexueller Misshandlung und kruder Gewalt, die auf dem Landsitz des
Präsidenten herrschen. Diesem Hogarth’schen Sittenbild einer korrupten Kaste – Nicol nennt sie ein „Plünderkommando“ – ist eine lange Liste von Verbrechen, Verrat und Bereicherung vorangestellt, ein wahrer Dschungel, durch den sich Vicki und andere Geheimdienstler wühlen müssen: Waffengeschäfte, Mord und Folter in den Militärcamps des ANC im Exil, Umsturzversuche in Ländern, in denen der Präsident investiert hat.
Nicol geht so nah wie möglich an die Wahrheit heran. Auch wenn der Name des Präsidenten nicht fällt – nur sein sadistischer Lieblingssohn wird als „Zama“ vorgestellt – konnte jeder Südafrikaner und jeder aufmerksame europäische Leser erkennen, wer gemeint war und welcher Ort sich hinter dem „Bambatha“ des Romans verbarg. Doch ist Korrupt kein kruder Schlüsselroman.
Nicol macht keine Angaben zur Topographie von Bambatha. Doch während man das reale Vorbild dazu leicht auf der Karte finden kann, verweist die Kleinstadt „Trekkersburg“, aus der sich Fish aufmacht, um Vicki aus den Klauen des Präsidenten und seiner Handlanger zu retten, auf einen umfassenderen Zusammenhang. „Trekkersburg“ hieß die fiktive südafrikanische Stadt, in der die Kriminalromane des großartigen James McClure spielen. Hier ermitteln der schwarze, schlaue Bantu-Sergeant Zondi und der weiße, beschränkte Leutnant Kramer in der Apartheid-Welt der 6oer Jahre. Die gerade in ihrer Darstellung von Gewaltverhältnissen realistischen und skeptischen Romane sind gerade wieder als Taschenbücher im Unionsverlag lieferbar. Mit dieser Hommage an das Vorbild unterstreicht Nicol, dass die Gewaltstrukturen seines Landes tief wirken, von langer Dauer sind.
Wie klar und pessimistisch Nicol die Lage sieht, ist einem anderen Detail seiner Komposition entnehmbar: In einem Strang der Handlung geht es um die Sicherung der ausländischen Investitionen des Präsidenten im Goldbergbau durch Attentate und die Niederschlagung von Streiks der Minenarbeiter.
Das erinnert an die Streiks der Bergarbeiter 2012 in Südafrika, die nicht nur von ihrer Gewerkschaft allein gelassen worden waren, sondern auch noch mit Polizeigewalt zusammengeschossen wurden. Entscheidende Figur im Hintergrund des Konflikts war Cyril Ramaphosa, der jetzt Nachfolger von Jacob Zuma werden wird. Ramaphosa wurde stark und zu einem wichtigen Unterhändler mit der Apartheidsregierung als gewerkschaftlicher Organisator der Minenarbeiter. 2012 aber war er, inzwischen einer der reichsten Männer des Landes und Vorstand in der bestreikten Mine, derjenige, in dessen Interesse die Polizei die Streikenden zusammenschoss.
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