Ein Citoyen als Richter
Er wird als Nestbeschmutzer wahrgenommen, das setzt ihm zu.
Seit dem 30. April 2017 ist Thomas Fischer, bis dato Vorsitzender des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs und Kolumnist der ZEIT im vorzeitigen Ruhestand.
Aus beiden Ämtern ausgeschieden, aber heute abend wieder da, im Hamburger Literaturhaus als Gast im Philosophischen Café mit Reinhard Kahl.
Fischer ist ein großer, schwerer Mann, seine Haltung wirkt wie ein Statement: Zurückgeneigt sitzt er da, die Arme über dem imposanten Bauch gefaltet, der Blick hinter den Brillengläsern schweift über Gesprächspartner, Publikum und Horizont. Wenn er redet, holt er weit aus, ein Mann im Gespräch mit sich selbst. Manchmal hat er den Faden verloren und erkundigt sich: Was war noch mal Ihre Frage? Oder: Auf den zweiten Teil Ihrer Frage komme ich noch zurück.
„Denken. Urteilen. Richten.“ lautet das Thema des Abends. Moderator Kahl möchte den kolossalen Richter auf Kants Bemerkung festnageln, der Mensch sei ein „krummes Holz“. Fischer erweist sich als solches.
Erst mit 27 begann der vormalige Paketzusteller, Rockmusiker, LKW-Fahrer und Germanistikstudent, Jura zu studieren. 1988 wurde er Richter („mit Leidenschaft“), später Ministerialbeamter und dann in den BGH gewählt, wo er sich – nicht nur darin Ausnahme seines Standes – in einem zweieinhalb Jahre währenden Verfahren gegen den Gerichtspräsidenten die Stelle des Senatsvorsitzenden erstritt. „Als Rockmusiker war ich erfolgreicher als als Richter.“