Wie gehst Du mit Räumen und Landschaften in der Recherche um? Zeichnest/fotografierst Du sie, um sie beschreiben zu können?
Ich fotografiere unglaublich gern Räume und Landschaften, aber meistens nicht zur Recherche, sondern weil ich sie spannend finde. Ich habe viele Räume im Kopf und beginne ein Buch und die meisten neuen Szenen damit. Ich kann Menschen, Gruppen, Situationen in Räume übersetzen, und ich mache das sehr oft, intuitiv, so wie Musiker Gefühle in Töne übersetzen. Die Figuren kriechen dann irgendwie aus den Räumen heraus, die waren da meistens schon mit drin. Selbstverständlich hat die Handlung später den höheren Stellenwert, und wenn es gut läuft, übernehmen die Figuren das Ganze, sodass ich eigentlich nix mehr machen muss als mich hinsetzen, mir die Räume vorstellen und die Figuren einfach handeln lassen. Das ist das schönste Stadium beim Schreiben.
Veränderst Du die realen Inspirationsräume? Müssen sie sich ändern, um fiktionstauglich zu werden?
Die Räume, die mich inspirieren, haben eine vierte Dimension. Das Scilla-Wäldchen, das mir mein Großvater bei Eisenberg zeigte, ist nur wirklich dann ein Scilla-Wäldchen und damit ein goldener (bzw. blauer) Ort, wenn die Scilla blühen.
Ich weiß nie, wann und warum ein realer Ort plötzlich zu einem goldenen Ort wird, der dann wahrscheinlich das ist, was du mit Inspirationsraum meinst. Und ich kann es nicht unbedingt ein zweites Mal abrufen. In der Erinnerung ändern sich die Räume und werden farbiger und organischer, sie haben mehr Kontraste und können sich ausdehnen und einschnurren wie bei Alice im Wunderland. Diese Räume sind wie bei Alice übrigens immer in irgendeinem sehr weit gefassten Innen. Auch wenn du sie im Freien siehst, ist klar, dass sie in einer Art Blase stecken, die sich im Mittelpunkt der Erde oder so befindet.
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