Kannst Du angeben, welche Räume für Dich fiktionstauglich sind? Und welche eher nicht? Hängt das überhaupt von Räumen ab oder eher von der ersten Begegnung mit ihnen?
Es gibt sehr starke Orte, die mich inspirieren, die ich aber nicht abbilde. Die sind einfach nur Energielieferanten. Beispiel wäre: Der Odilienberg oder Mont Sainte Odile, auf dem ich als Kind mehrfach gewohnt habe. Im Pilgerheim, mit uralten, schweren Betten unterm Dach, und der Wind pfiff um den Berg, der hatte den ganzen Rhein entlang Anlauf genommen … Das ist ein ungemein mächtiger Ort, ein Berg, der über der Ebene thront, überwältigender Ausblick, jahrtausendealte Geschichte als Kultstätte und bis heute als solche genutzt (damals auch von mir). Du erlebst dort die Naturgewalten sehr direkt, wirst Teil vieler Geschichten, außerdem birgt das riesige, verwinkelte Klostergebäude Geheimnisse, und das spürt man. Eines davon wurde erst nach meinen Ferienaufenthalten dort entdeckt: Ein Geheimgang, den ein Bücherfreund mithilfe uralter Schriften ausfindig machte und so den Weg in die verschlossene Bibliothek des Klosters fand, wo er Bücher stahl. Er wurde gefasst, gab die Bücher zurück und schenkte der Welt das Wissen um jenen Gang, den nicht einmal die Schwestern kannten. Der Odilienberg ist viel zu groß und auch irgendwie zu persönlich für mich, als dass ich ihn im Buch beschreiben würde, aber ich kann seine Energie immer anzapfen.
Siehst Du eine Entwicklung in Deinem Schreiben im Umgang mit Raum und Landschaft?
Ich glaube, ich kriege mehr Routine darin, einen Raum einfach aus Gefühlen erstehen zu lassen. Das flutscht besser, seit ich mir gestatte, mehr Imagination zuzulassen und sie ernster zu nehmen. Ich ahne, dass du riesengroßen Wert auf genaue Recherche in der realen Welt legst, Tobias, aber es ist eigentlich sehr bemerkenswert, wie genau du Räume abbilden kannst, wenn du dir keinen realen Raum, sondern nur ein Gefühl als Vorbild nimmst. Wenn du alles ablegst, was beschwert und alles zulässt, was von der Seite leise anklopft. Dann liest du es hinterher und denkst: Hammer, das ist mit allem, mit Dreck und Lichterkette und Details, fühlt sich an, als stündest du drin.
(c) Monika Geier 2018
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