D.B.Blettenbergs SIAMESISCHE HUNDE: Farangs in Thailand zwischen Drogenkrieg und unaufgeklärter Geschichte
Vorwort zum Kultkrimi „SIAMESISCHE HUNDE“ von D.B. Blettenberg in der Büchergilde Gutenberg
D.B. Blettenberg hat elf Romane geschrieben, vier davon wurden mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. Eine beachtliche Quote; nur Friedrich Ani und James Ellroy erhielten die wichtigste deutsche Auszeichnung fünf Mal (1) . Selbstbewusst und ganz uneitel bezeichnete Blettenberg sich in einem Interview, das 1982 im Zusammenhang mit der Verfilmung von Siamesische Hunde entstand, als „Facharbeiter mit autodidaktischen Ambitionen. Und ein Handwerk, das man sehr gut beherrscht, kann ab und zu etwas hervorbringen, das eine sehr solide Art der Kunst ist.“ (2)
Siamesische Hunde ist Detlef Blettenbergs vierter Roman, 1987 erschienen, im Jahr nach seiner Rückkehr von einem vier Jahre währenden Aufenthalt in Bangkok als regionaler Beauftragter des Deutschen Entwicklungsdienstes, wo er wie ein „kleiner Botschafter“ (3) für ca. 40 Entwicklungshelfer samt Familien, acht Bürokräfte und weitere Helfer zuständig war. Sein Protagonist und in manchem auch Blettenbergs Alter Ego Michael Brandau leitet das vergleichsweise sehr viel kleinere Büro einer privaten deutschen Entwicklungshilfeorganisation. Das hat dramaturgische Gründe: Wie viele andere Helden Blettenbergs ist auch Brandau ein Mann, über den das Geschehen hereinbricht, in diesem Fall ein überschaubar gewaltsames. Brandau ist zwar ein Angestellter neokolonialer bundesdeutscher Einrichtungen und verspürt auch entsprechend selbstkritische Gefühle, die er mit Selbstironie abmildert. Aber er kann – genauso der Leser – kaum ermessen, warum und in welchem Ausmaß er sich den Zorn des chinesisch-italienisch-australischen Drogengangster-Duos Milano Fong und William Abbott zugezogen hat. Brandau kann die Zeitungsmeldung von der Zerschlagung einer Drogenraffinerie an der Nordgrenze Thailands nicht in Beziehung setzen zu dem weißen BMW, der ihn und seinen Gast, den Journalisten Dombrovsky, verfolgt. Zum Glück macht sich Brandau, genauer: seine pragmatische Geliebte und Sekretärin Robin, doch noch die richtigen Gedanken. Als in der Nachbarschaft bei einem ehemaligen General eingebrochen wird, heuert er einen arbeitslos gewordenen Hundefänger als Wächter an. Dieser Khun Bao schlägt dann nicht nur die Killer der Drogenbarone zurück, sondern rächt in einem Akt thai-typischer Loyalität seinen Auftraggeber ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben. Auf das reale Vorbild zu diesem stolzen Mann ist D.B. Blettenberg in einem Artikel der Bangkok-Post gestoßen (4).
Blettenberg ist im Vergleich zu einem durchreisenden Touristen oder Journalisten allein aufgrund seiner Berufstätigkeit ein Landeskenner mit vielfältigen Beziehungen. Seine Aufgaben führten ihn in entfernte Landsteile – „einige Tage in einer Hütte auf dem nackten Boden war da keine Seltenheit“ (5) – und brachten ihn in Kontakt sowohl mit der Regierung und der Königsfamilie wie auch mit Sicherheitskräften, Kaufleuten und einfachen Menschen auf dem Lande. Trotzdem verfällt der Autor Blettenberg nicht in den Fehler, sich in eine thailändische Seele zu versetzen. Authentizität und vor allem Glaubwürdigkeit gewinnt er, ähnlich wie in seinen anderen Romanen, die außer in Thailand noch in Ecuador, Ghana, Nicaragua oder Südafrika spielen (6) , indem er als Protagonisten kulturelle (oft auch biologische) Mischlinge wählt. Brandau ist deutscher Entwicklungshelfer mit Landeskenntnissen, nicht mehr. Dass er bei der Marine mal zum Kampfschwimmer ausgebildet wurde, ist ein nützliches Plus. Dieser unsichere Mann, der schon Befriedigung aus einem erfolgreichen Briefwechsel mit einem Kasernenhofkommandant zieht, ist ein gutmütiger, aber bei Weitem nicht dummer Mittler, der in etwas verwickelt wird, das seinen Erfahrungs- und seinen Befürchtungshorizont übersteigt.
Siamesische Hunde spielt im Jahr 1982. Mit dem militärischen Schlag gegen Khun Sas Opiumraffinerien in Ban Hin Taek (7) verlor der damals reichste und mächtigste Drogenschmuggler der Welt seine Basis in Thailand (8) . Khun Sa war aber nicht nur ein Big Player der Weltwirtschaft und Reagans Hauptwidersacher im „war on drugs“. Er operierte im Goldenen Dreieck mit seiner eigenen Shan-Rebellenarmee an einem neuralgischen Punkt im Kräftemessen zwischen den regionalen südostasiatischen Staaten Thailand, Burma und Laos, das wiederum eingebunden war in die Auseinandersetzungen zwischen den Supermächten USA und UdSSR und der regionalen Vormacht VR China (9). Im Roman findet diese Gemengelage Gestalt in den verschiedenen Geheimdienst-Agenten, darunter der ominöse Gustave Simenon (!), die im Hintergrund Einfluss auf das Treiben der beiden Deutschen Brandau und Dombrovsky nehmen.
Dombrovskys journalistische Suche nach „einem der bekanntesten Ausländer der Nachkriegszeit in Südostasien“ (10) erlaubt dem Autor, die faszinierende Geschichte vom ehemaligen Geheimagenten und Seiden-König Jim Thompson zu erzählen, dessen Verschwinden bei einem Spaziergang in den malaysischen Bergen bis zum heutigen Tag nicht aufgeklärt ist. (11) D.B. Blettenberg gibt ihm – etwas unvermittelt – einen eigenen Auftritt im Roman und fügt damit all den wilden Spekulationen über Thompsons Verbleib eine weitere plausible Variante hinzu. Während Dombrovsky hofft, einen Scoop zu landen und 155.000 Dollar Erfolgsprämie einzustreichen, wird er gleich von mehreren Geheimdiensten manipuliert – leise Ironie des Schriftstellers, der die innere Wahrheit seiner aus Tatsächlichem entwickelten Fiktion höher bewertet als das, was uns tagtäglich als Nachricht vorgeflimmert wird. Überhaupt die leisen Töne: In seiner nüchternen, an den englischen Meistern geschulten Sprache macht Blettenberg Thailand und Bangkok in ihrer ganzen Sinnlichkeit präsent: Geräusche und Gerüche und Überschwemmungen. Leise, unaufdringlich und präzise sind auch die zahlreichen komischen Elemente, zu deren Höhepunkten der Kontrolltrip eines MdB gehört. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen spannende und erhellende Lektüre.
Tobias Gohlis, Hamburg im März 2013
Anmerkungen:
1 http://www.krimilexikon.de/dkp/autoren.html
2 Interviews mit dem Thrillerautor Detlef Blettenberg, Archiv D.B Blettenberg; der Film erschien 1989 unter dem Titel Bangkok Story, Regie: Rolf von Sydow
3 Gespräch mit dem Autor 1.3.13
4 Gespräch mit dem Autor 1.3.13
5 ebd.
6 siehe http://www.krimilexikon.de/blettenb.htm; http://www.dbblettenberg.de/bibliografie/bibliografie.htm
7 Siamesische Hunde, S.43
8 informativ das Porträt „Ein Produkt des Dschungels“ von Krystian Woznicki vom 4.7. 2004 in telepolis zu Khun Sas 70. Geburtstag; http://www.heise.de/tp/artikel/17/17720/1.html
9 über Khun Sa: http://de.wikipedia.org/wiki/Khun_Sa
10 Detlef Blettenberg: Der spurlose Tod. Der Jim-Thompson-Mythos; in: Inka grollt und Buddha lächelt, Reportagen; Ullstein, Frankfurt/Main, Berlin 1988, S.114
11 http://de.wikipedia.org/wiki/Jim_Thompson_%28Designer%29;
ausführlicher zum Verschwinden: http://en.wikipedia.org/wiki/Jim_Thompson_%28designer%29