Malla Nunn und Peter Mendelson über die Schatten Südafrikas
Als Malla Nunn ihren ersten Kriminalroman veröffentlicht hatte, verspürte sie keineswegs den Stolz der neugebackenen Autorin: „Stattdessen war ich überwältigt von Scham. Ich hatte das reale Leid meiner Familie als Futter für einen ›African Noir‹ benutzt, um meine Leser zu unterhalten, anstatt sie aufzuklären.“
in Gedanke, der einem Henning Mankell nicht hätte kommen können. Während nordische Autoren mit fast paranoider Imaginationsarbeit nach Konflikten suchen, drohen die Südafrikaner in ihnen zu ersticken. Hier stellt sich den Autoren nicht die Aufgabe der Aufblähung und Dramatisierung, sondern der Konzentration und Typisierung. Das wahre Wunder der Kriminalliteratur aus Südafrika ist, dass es sie überhaupt gibt.
Im Unterschied zu ihren Kollegen Deon Meyer, Mike Nicol oder Andrew Brown haben Paul Mendelson und Malla Nunn ihren Lebensmittelpunkt nicht im Land ihrer Romane. Der Brite Mendelson lebt nur zeitweilig in Kapstadt. Malla Nunn, geboren in Swasiland, ist in den siebziger Jahren mit den Eltern nach Westaustralien geflohen.
Doch beide gehen der großen Frage Südafrikas nach: Wie ist es möglich, hier ein Mindestmaß an Ordnung, Frieden und Gerechtigkeit zu schaffen?
Nunn hat in ihren bisher drei Romanen um Detective Sergeant Cooper die historische Perspektive der frühen fünfziger Jahre gewählt, als die Apartheidgesetze durchgesetzt wurden. In TAL DES SCHWEIGENS bilden sie allerdings eher den Hintergrund der Ermittlungen zweier Detectives, die aufgrund ihrer Herkunft niemals Karriere machen werden. Cooper gilt als „mixed race“, sein Assistent ist ein Zulu. Obwohl sie die Kommunikationshindernisse zwischen sich überwinden und den Mord an einer Zulu-Prinzessin aufklären können, scheitern sie an den Machtstrukturen ihrer Zeit.
Auch die Gegenwart gibt wenig Anlass zu Hoffnung, folgt man Paul Mendelson in seinem Debütroman DIE UNSCHULD STIRBT, DAS BÖSE LEBT. Allein auf das Handeln seiner Figuren konzentriert, rollt Mendelson einen apokalyptischen Fall von Kindesentführung und Missbrauch auf. Im Unterschied zu Nunns Kriminalisten, die wenigstens noch eine Zukunft vor sich haben, kommen Mendelsons Ermittler nicht durch: Behördliche Machtspiele, Rassismus und Inkompetenz verhindern die Dingfestmachung der Täter.
Dieser Beitrag erschien als Krimikolumne am 7.Januar 2016 in der ZEIT 2/2016 . Die beiden Romane standen auf der #Krimibestenliste Januar 2016
Malla Nunn: Tal des Schweigens
Aus dem Englischen von Laudan & Szelinski
Ariadne im Argument-Verlag; 318 Seiten
Paul Mendelson: Die Unschuld stirbt, das Böse lebt
Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
Rowohlt Polaris; 478 Seiten