Die Krimibestenliste 2022: zehn supergute Krimis
davon drei aus Deutschland, ein japanischer, zwei schwedische, zwei karibische, ein israelischer und ein ukrainischer
Ins Schwärmen kommen kann man über die KRIMIBESTENLISTE 2022: so viel Vielfalt, Internationalität und vor allem Qualität hatten wir seit Gründung der Krimibestenliste 2005 noch nie.
Beeindruckend die Entscheidung der Jury mit überwältigender Mehrheit für Riku Ondas DIE AOSAWA-MORDE aus Japan. DIE AOSAWA-MORDE steht in der langen Reihe klassischer Rätselkrimis, die in Japan eine eigene Tradition ausgebildet haben, zugleich aber in einer modernen Wende zum sogenannten „Shin Honkaku“, was „neu orthodox“ meint.
Weder gibt es einen klassischen Ermittler, die Polizisten tragen wie alle anderen Zeugenfiguren Teile zum Puzzle bei, das nicht aufgelöst wird und vom Leser höchste Anstrengung erfordert. Es geht um den Massenmord an einer angesehenen Arztfamilie und die Rolle, die die einzige Überlebende spielt, die jüngste blinde Tochter. Ein literarisches Wunderwerk über Wahrheit und Lüge, Wahrnehmung und Täuschung, Sein und Schein.
Ähnliche Erneuerungskraft wirkt in Sybille Ruges Debütroman DAVENPORT 160 x 90. Ruge findet darin zu einer neuen, ungewohnten, bewundernswerten Sprache über Mord, Sex, Kunst und Elite. Mit Oliver Bottinis EINMAL NOCH STERBEN und Johannes Groschupfs DIE STUNDE DER HYÄNEN sind zwei weitere deutschsprachige Titel prämiert, der eine ein äußerst realitätstüchtiger Politthriller, der andere ein Berlinroman mit märchenhaften Zügen. Alle drei wegweisend für die Zukunft der deutschsprachigen Kriminalliteratur.
Und der schwedische Kriminalroman hat sich aus den blechschmiedehaften Kolportage-Klauen Stieg Larssons gelöst. Mit Christoffer Carlssons: WAS ANS LICHT KOMMT und Åsa Larssons: WER OHNE SÜNDE IST werden zwei schwedische Landschaften, Hallanda und der hohe Norden, beeindruckend poetische Wahrheit.
Besonders stolz sind wir auf die Prämierung eines Kriminalromans aus der Ukraine, von Andrej Kurkow SAMSON UND NADJESCHDA, und zweier Romane aus der Karibik, die wohl beide zu den ersten gehören, die aus diesem Kulturkreis ins Deutsche übersetzt wurden: DIE KNOCHENLESER von Jacob Ross spielt auf den Kleinen Antillen, WIE DIE EINARMIGE SCHWESTER DAS HAUS FEGT ist von Cherie Jones aus Barbados verfasst und spielt auch dort.
Und zum Schluss der schöne leise Ton des Israelis Dror Mishani, der in VERTRAUEN eine Hommage an den Kriminalroman als Roman der kleinen Leute und als Politthriller vereint.
Die KRIMIBESTENLISTE 2022 ist die Auswahl der Auswahl: Wie präsentieren die zehn besten von insgesamt 64 Kriminalromanen, die von Deutschlandfunk Kultur jeweils am ersten Freitag des Monats 2022 vorgestellt wurden. In Deutschlandfunk Kultur können Sie am 27.12.22 ab 10:05 in der „Lesart“ ein Gespräch über das Krimijahr 2022 zwischen Kolja Mensing, unserem zuständigen Redakteur, und Tobias Gohlis, dem Sprecher der Jury, hören, moderiert von Andrea Gerk.
Das ausdruckbare PDF der KRIMIBESTENLISTE 2022 finden sie hier, und auf https://recoil.togohlis.de/die-krimibestenliste/ können Sie das Archiv aller Krimibestenlisten durchstöbern. Wir danken allen Bloggern, Zeitungen, Medien, die die Krimibestenliste durch Abdruck und Kritik unterstützt haben und Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für Ihre Treue und Ihre guten Ratschläge.
Im Namen der Jury wünsche ich Ihnen friedliche Adventstage, frohe Weihnachten und ein gutes Jahr 2023 mit schönen Erlebnissen und guter Lektüre.
Hamburg, am 16.12.22
Ihr Tobias Gohlis