Acht Titel sind neu: je einer aus Irland und Österreich, zwei aus den USA, und vier aus Deutschland. Die Schauplätze: Arizona, Los Angeles, Iron Mountains, Köln, Wien, Duisburg, Sizilien, Rotterdam, Dêrsim, München, „Anjirabad“ in Afghanistan, Altglashütten, Feldberg, Freiburg, Wicklow Mountains, Dublin, Wexford.
Angesichts des Großverbrechens Angriffskrieg, das Putin begeht, möchte man über Krimis schweigen. Seit drei Jahren.

Neu auf Platz Eins im Februar:
1 Sing mir vom Tod (Sing Her Down)
Die 1977 in Philadelphia geborene, in Brooklyn aufgewachsene, heute in Los Angeles lebende Autorin und ehemalige professionelle Squash-Spielerin Ivy Pochoda hat fünf Bücher veröffentlicht. Drei davon sind auf Deutsch erschienen, zwei – DIESE FRAUEN und WONDER VALLEY – standen auf der Krimibestenliste.
SING MIR VOM TOD ist der vierte auf Deutsch.
Frauen und Gewalt: Das war schon immer Pochodas Thema. Jetzt geht es ihr darum, Frauen die Fähigkeit zu elementarer Gewalt zuzuschreiben. Gewalt, die aus dem Inneren kommt. Bei Dios, der einen Protagonistin, scheint sie beinahe angeboren. Sie will Florida dazu zwingen, die in ihr tobende Gewalttätigkeit anzuerkennen. Dafür mordet sie, und stellt diese Morde als Erfüllung innerster Wünsche Floridas dar. Gewalt als Selbstverwirklichung. Sehr düster. Ein Western mit Showdown an einer der schlimmsten Straßenkreuzungen von Los Angeles.
Lesen Sie hier Sonja Hartls Rezension.
Außerdem neu auf der Krimibestenliste Februar:
Acht neue Titel in einem Monat. Das gab es noch nie in der zwanzigjährigen Geschichte der Krimibestenliste. Auch sehr selten: Darunter fünf deutschsprachige Kriminalromane. Das scheint – im Unterschied zu 2024 – für die deutschsprachige Kriminalliteratur ein gutes Jahr zu werden.
Angesichts der Überfülle fallen meine Kommentare diesmal sehr kurz aus:
2 Hüte dich vor der Frau (Beware The Woman)
In den USA hat die 1971 geborene Megan Abbott einen soliden Bekanntheitsgrad als Verfasserin feministischer Noirs. Bis auf einen Band bei Kiepenheuer & Witsch (2012: DAS ENDE DER UNSCHULD) sind alle ihre Titel auf Deutsch bei dem bis dahin ausschließlich auf männliche Noirs spezialisierten Verlag Pulp Master erschienen.
Und dort hat sie einen Lauf. In für den Kleinverlag überraschend schneller Folge sind bisher AUS DER BALANCE, WAGE ES NUR und eben jetzt HÜTE DICH VOR DER FRAU erschienen. Alle auf den vordersten Plätzen der Krimibestenliste.
Beware The Dog – damit werden Einbrecher vor Hunden gewarnt. Ähnlich aggressiv der englische Titel BEWARE THE WOMAN.
Kaum ist Jacy schwanger, will ihr Mann Jed sie dem Schwiegervater Dr. Ash vorstellen. Sie reisen aus New York auf die abgelegene nördliche Halbinsel Michigans. Umgeben von Wäldern, Hinterwäldlern und Berglöwen bekommt Jacy Blutungen. Aber nicht sie, sondern eine Crew von älteren Männern um Dr. Ash versuchen ihren Gesundheitszustand zu kontrollieren. Die Sorgen einer Schwangeren mit Problemen entwickeln sich zu einem Horror-Albtraum.
4 Tanz im Dunkel
Max Annas‘ zigmal mit Deutschen Krimipreisen ausgezeichnete Bücher sind bisher bei Rowohlt erschienen, jetzt sein erster Roman bei Suhrkamp.
TANZ IM DUNKEL spielt in Annas‘ Heimatstadt Köln, 1959, als der 1963 geborene Autor noch nicht ihr Licht erblickt hatte. Drei Rock’n’Roll-Fans stoßen auf eine im Untergrund blühende Nazi-Verschwörung. Ein Rächer arbeitet die Liste der Nazis ab, die seine Familie vernichtet haben. Ein sehr sehr dunkler Heimatroman, auf den zumindest ein weiterer folgen soll.
5 Wackelkontakt
Nach neun Romanen um Privatdetektiv Simon Brenner und etlichen literarischen Ausflügen in andere Romanformen legt Wolf Haas – auch er im neuen Verlag – nun mit WACKELKONTAKT einen Zwitter aus erfundenem True-Crime-Krimi und dem Roman der Erlebnisse seines Lesers vor. Frank Escher puzzelt gerne und hat sich in der Welt der Puzzles verlaufen, als er dieses Bild seines Namensvetters M.C. Escher legte:

Haas‘ Roman im Roman folgt der Idee dieser sich gegenseitig malenden Hände: Es sind Romane, die sich gegenseitig schreiben.
Spannung, der man sich schwer entziehen kann, entsteht durch die ungezählten Cliffhanger, die immer dann entstehen, wenn einer der beiden Roman-Leser, die zugleich ihre Erzähler sind, die Feder oder die Maus wieder dem anderen übergeben.
6 Kommando Ajax
Cemile Sahin erzählt in KOMMANDO AJAX verfremdet die Geschichte ihrer eigenen kurdischen Familie, die nach Deutschland emigrierte. Die Lektüre ist etwas gewöhungsbedürftig, weil der Roman in Foto-Grafiken und in Drehbuchanweisungen ähnlichen Clips erzählt ist. Bewundernswert springt Sahin zwischen Zeiten, Erlebnissen einer nach Holland eingewanderten Emigrantenfamilie und Krimi-Elementen hin und her. Die Auflösung muss man suchen. Sie ist bitter, aber auffindbar.
7 Die innere Führung
Die Bundeswehr als ein Gewaltapparat, die Polizei als ein anderer – seit Gregor Weber (FEINDBERÜHRUNG 2011) hat sich selten ein Krimiautor an die Reibungsflächen dieser beiden Institutionen gewagt.
Lars Sommer (Pseudonym von Lucas Fassnacht) tut es in DIE INNERE FÜHRUNG. Comichaft überzeichnet prallen Polit-Klischees, Superhelden ähnelnde Figuren und ein Kommissarduo aufeinander. Und bringen dennoch das Gehirn zum Nachdenken. Denn zur Abschreckung wird auch soldatische Gewalt, Menschen also, gebraucht. Nicht nur Waffensysteme.
8 Black Forest
Wolfgang Schorlau ist immer für politisch brisante Themen gut. Sein gerne Rotwein süffelnder Privatdetektiv Dengler zieht sie an wie die Fliegen. Diesmal erzählt Dengler als Ich-Erzähler selbst: Die Mutter auf dem alten Familienbauernhof macht ihm Sorgen. Alemannischer Dialekt und persönliche Erinnerungen lassen ein liebevolles Idyll aufkommen, in dem nur allzu bald Risse entstehen. Wie immer ist Dengler (diesmal auch seine Familie) zwischen die gesellschaftlichen Dialogfronten geraten: Klimaschutz contra Energiewirtschaft.
10 The Trap (The Trap)
Die irische Autorin Catherine Ryan Howard beschäftigt wie so viele Krimiautorinnen die (mediale) Faszination für Serienkiller. Dem Geheimnis dieser Mörder will sie in einer doppelten Versuchsanordnung nahekommen: Eine junge Frau bietet sich auf nächtlichen Straßen Irlands dem Serienmörder als Köder an, um herauszufinden, was aus ihrer vermutlich entführten Schwester geworden ist. Der Serienmörder gibt in einem zweiten Erzählstrang seine Motive preis. Gegeneinander geschnitten ergibt das einen etwas umständlichen, aber spannenden Krimi, aber keine Antwort.
Wo gibt es überall die KRIMIBESTENLISTE FEBRUAR?
Die KRIMIBESTENLISTE FEBRUAR ist seit Freitag, dem 7. Februar 2024, auf Deutschlandfunk Kultur online und kann hier als einseitiges PDF u.a. zum Aushang in Buchhandlungen heruntergeladen werden.
Nach und nach werden fast alle Neuerscheinungen der Krimibestenliste in Deutschlandfunk Kultur, immer am Freitag morgen gegen 8.20 Uhr, besprochen. Dort können Sie die Stimmen einiger Jurymitglieder vernehmen. Am Freitag, den 6. Februar hat Sonja Hartl über die Nummer eins der Krimibestenliste Februar SING MIR VOM TOD gesprochen.
Kommende Rezensionen zu den Krimis der Bestenliste wie auch zu anderen Büchern sind auf der Deutschlandfunk-Seite Rezensionen des Monats nachzuhören und zu -lesen.
Das CulturMag präsentiert ebenfalls die Krimibestenliste Februar nebst hochinteressanten Rezensionen nicht nur zu den Titeln der Krimibestenliste.
Dank auch an die Redaktion von Weltexpresso, die jeden Monat nicht nur die Krimibestenliste abbildet, und alle zehn Bücher engagiert kommentiert.
Ich wünsche Ihnen spannende Lektüre und einen angenehmen Februar.
Hamburg, den 7. Februar 2025
Ihr Tobias Gohlis