Robert Brack hetzt Diebe und Hehler in die surreale Welt der norddeutschen Schneekatastrophe 1978
Wilde Natur, Mensch und Verbrechen – seit die Klimakrise stärker ins Bewusstsein gerückt ist, lassen auch die Krimiautoren wieder mehr Natur ins Genre. Früher war sie eher Kulisse, ich denke nur an Trevanians Klassiker „Im Auftrag des Drachen“. Darin, verfilmt mit Clint Eastwood, muss erst die Eigernordwand erklettert werden, um einen Agenten dingfest zu machen. Robert Bracks BLIZZARD ist da von einer anderen, ökologischen Haltung geprägt: Mit einem Schneesturm, der 1978 ganz Norddeutschland unter meterhoch Schnee und Eis erstickte, durchkreuzt die unvorhersehbare Gewalt der Natur alle menschlichen Pläne, seien sie noch so edel oder unedel motiviert.
Ob edel oder unedel: Mit dem titelgebenden BLIZZARD ist nicht nur jener historische Schneesturm gemeint, sondern zunächst einmal ein Collier aus Edelsteinen, das 1925 von einem seinerzeit berühmten jüdischen Künstler gefertigt wurde, lange verschollen war und jetzt in Hamburg versteigert werden soll.
Hinter diesem unschätzbar wertvollen Blizzard-Schmuck sind viele, allzu viele her. Diebin Gisela erhofft sich ganz romantisch von dem Einbruch bei dem Hamburger Edel-Juwelier eine Art von Aussteuer für das zukünftige Kleinbürgerdasein mit ihrem Liebsten Frieder, der gerade aus dem Gefängnis kommt. Simona, die undurchsichtige Tippgeberin, verfolgt eine ganz eigene Agenda.
Was wie eine verstolperte Einbruchsgeschichte beginnt – einer der Einbrecher tötet einen Wachmann und löst eine überstürzte Flucht aus – führt, je fester die Diebe und ihr Hehler an ihren konträren Zielen und Plänen festhalten, immer tiefer ins Chaos des Schneesturms. Denn ausgerechnet dort, an der Ostseeküste, soll das Collier übergeben werden: Blizzard muss in den Blizzard.
Im immer surrealeren Chaos von Schusswechseln, Konfrontationen mit Oberförstern und Schützenpanzern, die sich im Frost selbständig gemacht haben, bleibt Robert Bracks Sprache ganz sachlich, sie beobachtet den Trubel und kommentiert ironisch: „Überall da, wo der Mensch sich einmischt, wird es schnell laut, brutal und zerstörerisch.“
Denn das Leben ist nun einmal ein grotesker Krimi, erst recht, wenn die Natur mal ein bisschen aufdreht. Und wenn Robert Brack das beschreibt.
Dieser Beitrag wurde am 14.1.22 um 8.20 von Deutschlandfunk Kultur gesendet und stand erstmals auf der Krimibestenliste Januar 22
Robert Brack: Blizzard
Ellert & Richter, Hamburg 2021, 284 Seiten